Handwerksberufe: Stark machen für die Zukunft

Sind Handwerksberufe ein Auslaufmodell oder sieht die Zukunft des Handwerks gar nicht so zappenduster aus, wie so mancher prognostiziert? Wie kann Nachwuchs ins Handwerk geholt und Fachkräfte rekrutiert werden? Eine Übersicht über den Status quo in der Handwerksbranche und Lösungsansätzen aus dem Dilemma. 

Auftragsbücher sind voll: Hohe Auslastung im Handwerk

Die Heizung ausgefallen, die Waschmaschine inkontinent und das Dach leckt: Wenn in den heimischen vier Wänden mal wieder Chaos herrscht, ist guter Rat teuer und oftmals auch nur mit langer Wartezeit zu bekommen. Die Auslastung im Handwerk ist hoch, die Auftragsbücher gefüllt. Die Handwerker kommen der Nachfrage kaum noch hinterher und den Kunden bleibt nur eins: Sie müssen sich in Geduld üben. Laut Konjunkturbericht des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) muss, wer heute nach einem Termin fragt, beinahe zehn Wochen warten, bis der Handwerker den Auftrag tatsächlich erfüllen kann. Denn obschon die Branche sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen kann, gibt es Grund zur Sorge – der Nachwuchs fehlt, es mangelt an Fachkräften im Handwerk. So können offene Stellen nur mit Mühe neu besetzt werden. Eine Folge: Handwerksbetriebe beschränken sich auf Aufträge von verlässlichen Stammkunden und Neukunden haben das Nachsehen. 

Fachkräftemangel im Handwerk: Alles halb so schlimm?

Die Nachricht ist nicht neu, in vielen Branchen fehlt qualifiziertes Personal. Besonders schlimm ist es in Bereichen der IT und der Pflege, diese Arbeitsfelder sind gar auf Zuwanderer angewiesen. Auch im Handwerk sieht es nicht allzu rosig aus, allerdings aber längst nicht so düster wie oft propagiert – zumindest nicht in allen Handwerksberufen und vor allem nicht überall. Wie gravierend der Mangel ist, sei unter anderem von regionalen Arbeitsmärkten und dem demografischen Wandel abhängig. Dazu komme, dass Jobs in diesen Branchen oft wenig attraktiv seien und Ausbildungen zum Teil sehr schlecht bezahlt werden. Experten fordern daher schon länger höhere Löhne. Bildungsministerin Anja Karliczek brachte gar einen Mindestlohn für Auszubildende ins Gespräch, der einen monatlichen Lohn von mindestens 515 Euro im ersten Lehrjahr vorsieht mit Staffelung für Jahr zwei und drei. 

Über den Tellerrand: Neue Wege bei der Rekrutierung im Handwerk

Ist die Jugend tatsächlich nicht an Handwerksberufen interessiert, alle Fachkräfte abgefischt? Nicht alle Experten stimmen zu. Stattdessen kritisieren einige, dass der Personalmangel oftmals ein vorgeschobenes Argument sei. So ist die Rede davon, dass zu wenig Zeit für die Personalsuche eingeplant werde. Außerdem seien die Zeiten vorbei, wo Arbeitgeber Jobs zu schlechten Konditionen anbieten können und Arbeitnehmer diese Stellen mit Kusshand nehmen. Inzwischen müssten auch Arbeitgeber im Handwerk vermehrt auf die Ansprüche und Bedürfnisse der Angestellten eingehen. Wer gutes Personal suche, müsse diesem auch ein ordentliches Angebot machen. 

Aktiv potenziellen Nachwuchs für Handwerksberufe ansprechen

Auch etablierte Betriebe müssen mit der Zeit gehen, um für den Nachwuchs attraktiv zu bleiben. Wer sich nicht richtig verkauft, die Werbetrommel nicht zu rühren weiß, verliert mögliche Auszubildende. Daher raten Experten dazu, Jugendliche frühzeitig über Branchen und Jobs im Handwerk zu informieren, das Gespräch zu suchen. Möglichkeiten dafür sind beispielsweise der Girl’s Day und der Tag des Handwerks. Außerdem kann sich der Nachwuchs inzwischen über die App “Lehrstellenradar” von der Handwerkskammer über freie Lehrstellen informieren.  

Nachwuchs im Handwerk: Von Umlagelösungen und Ablösesummen

Der Nachwuchs ist auch im Handwerk mancherorts rar. Immer mehr junge Menschen wählen die akademische Laufbahn anstelle der handwerklichen Ausbildung. Und wenn dann doch einmal ein Auszubildender gefunden ist, bleibt er nach Beendigung der Ausbildung oftmals nicht im Betrieb, sondern zieht weiter. Ein Problem, denn die Handwerksausbildung ist ein Minusgeschäft für die Betriebe. Erst ab dem dritten Lehrjahr ist damit zu rechnen, dass die Arbeit der Azubis auch Gewinn abwirft. Berechnungen des Bundesinstituts für Berufsbildung zufolge kostet eine dreijährige Ausbildung den Handwerksbetrieb mehr als 15.000 Euro. Eine Lösung könnte ein sogenanntes Umlagesystem sein. Demnach sollen, so argumentieren Experten, Handwerksbetriebe, die selbst nicht ausbilden, künftig Abgaben entrichten, die wiederum den Ausbildungsbetrieben zugute kommen. Das Handwerk würde so gemeinschaftlich die Kosten für die Ausbildung von Lehrlingen tragen.

Ausbildungsbetriebe entschädigen

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer hingegen hat noch eine andere Idee: Damit die Betriebe, die weiterhin Geld und Zeit in die Ausbildung des Nachwuchs stecken, nicht immer wieder das Nachsehen hätten, wenn andere Betriebe ihnen die Lehrlinge nach der Ausbildung abspenstig machten, solle eine Ablösesumme eingeführt werden. Das Prinzip ist denkbar einfach: Ein Wechsel in den ersten Jahren nach der Ausbildung soll erschwert werden. Betriebe, die abwerben wollen, sollen an den Ausbildungsbetrieb eine Ablöse für die Übernahme des Mitarbeiters bezahlen – eine Art Entschädigung, die einen Teil der Ausbildungskosten deckt.

Lösungsansätze für eine zukunftsfähiges Handwerksbranche – der Überblick

 

Welche Möglichkeiten Experten für Handwerksbetriebe sehen, damit der Nachwuchs nicht ausgeht und die Branche ihren Pool an Fachkräften ausbauen kann, hier noch einmal zusammengefasst:

  • Jobangebote am Puls der Zeit: Bedürfnisse von Arbeitnehmern in Ausschreibungen einbeziehen
  • Ablösesummen für Azubis, die direkt nach der Ausbildung aus einem Handwerksbetrieb abgeworben werden
  • Umlagesystem: Ausbildende und nicht-ausbildende Betriebe tragen gemeinsam die Ausbildungskosten
  • Aktives Werben um den Nachwuchs durch Schulbesuche, Jobmessen, Tag der offenen Tür etc.
  • Mindestlohn von 515 Euro im ersten Lehrjahr für alle Handwerks-Azubis

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